22.12.2012

US-Außenpolitik: Erschöpfter Weltpolizist Amerika


06.11.2012 | 18:19 | MICHAEL LACZYNSKI (Die Presse)
 
Iran, Syrien, Afghanistan - die dringlichsten Herausforderungen für den Präsidenten befinden sich im Nahen und Mittleren Osten. Doch die größte Gefahr für die Vormachtstellung der USA ist China.
 
Wien Dass das 20. Jahrhundert ein amerikanisches Jahrhundert war, steht angesichts von zwei gewonnenen Weltkriegen und dem Sieg durch technischen K. o. im Match gegen die Sowjetunion außer Frage. Darüber, ob die USA auch das 21. Jahrhundert prägen werden, scheiden sich allerdings die Geister: Abseits aller Weltmachtrhetorik, die von Demokraten wie Republikanern praktiziert wird, stellt sich die Frage, ob die hoch verschuldeten und konjunkturell auf wackeligen Füßen stehenden USA nach wie vor in der Lage sind, ihre Wünsche und Vorstellungen rund um den Globus umzusetzen.
Um welche außenpolitischen Baustellen wird sich der Obama in seiner zweiten Amtszeit kümmern müssen? Die dringlichsten Herausforderungen befinden sich allesamt im Nahen und Mittleren Osten - und ganz oben auf der Agenda steht der Iran. Die Ausgangslage ist klar: Der Gottesstaat strebt nach der Atombombe, die USA wollen einen atomar bewaffneten Iran verhindern und schließen dabei auch einen Militärschlag nicht aus. Bisher setzte Washington (trotz wachsender Skepsis Israels) hauptsächlich auf Wirtschaftssanktionen - die, wie die jüngsten Ausschreitungen in Teheran gegen die Abwertung der Landeswährung Rial belegen, erste Wirkungen zeigen. Ob der ökonomische Druck reichen wird, um Teheran zum Einlenken zu zwingen, wird sich vermutlich im Laufe des kommenden Jahres zeigen. Unklar ist allerdings, ob Israel nicht schon vorher einen militärischen Alleingang wagt. Auch der Sturz des iranischen Verbündeten Bashar al-Assad in Syrien könnte die Lage destabilisieren.
In Syrien steht die US-Regierung vor einer gänzlich anderen Herausforderung: Wie lässt sich verhindern, dass nach dem Ende der Ära Assad ein Vakuum entsteht, in das Islamisten vorstoßen? Ähnliche Überlegungen gelten auch für Nordafrika nach dem Arabischen Frühling, doch in Syrien ist die Lage besonders akut - nicht zuletzt aufgrund der Gefahr, dass sich der Bürgerkrieg zu einem regionalen Konflikt (mit Beteiligung des Nato-Mitglieds Türkei) auswachsen könnte. Die Gegner Assads sind zersplittert, Dutzende Gruppierungen kämpfen gegen das Regime - unter ihnen immer mehr Gotteskrieger. Deswegen zögern die USA mit der Bewaffnung der Rebellen - denn diese Waffen könnten auch in falsche Hände geraten und eines Tages gegen westliche Ziele eingesetzt werden.
 
Pazifische Herausforderung
Wenigstens in Afghanistan ist der US-Fahrplan klar: Bis Ende 2014 sollen alle Kampftruppen abgezogen werden und die afghanische Regierung das Sagen im Land haben - was angesichts der Stärke der Taliban wohl eine fromme Hoffnung ist. Washington hat zwei Jahre Zeit, um sich mit den afghanischen Islamisten zu arrangieren. Welche Rolle Pakistan dabei spielen wird, ist noch offen. Die Atommacht ist zwar formell mit den USA verbündet, unterstützt aber tatkräftig (und heimlich) die Taliban.
Doch die langfristig wichtigste geopolitische Gefahr für die amerikanische Vormachtstellung befindet sich in Fernost. Das aufstrebende China macht den USA die Rolle des pazifischen Hegemons streitig. Dass Washington einen Abstieg in die zweite Liga nicht akzeptieren wird, liegt auf der Hand. Die von Barack Obama beschlossene Umschichtung der militärischen Ressourcen Richtung Pazifik spricht in dem Kontext eine ebenso klare Sprache wie die rasante Aufrüstung der Volksbefreiungsarmee.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2012)

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